Frau Dr. Lena Seegers steht im Herzkatheter-Labor des Universitätsklinikums Frankfurt

Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur

Land fördert Forschungen für Krebstherapien, Pflanzenernährung und Krisenbewältigung

Insgesamt drei Millionen Euro für elf unkonventionelle Forschungsprojekte ab März 2024 in der Förderlinie LOEWE Exploration

Wiesbaden. In der neuen Förderlinie LOEWE-Exploration für unkonventionelle innovative Forschung erhalten elf Forschungsprojekte vom 1. März 2024 an für die Laufzeit von bis zu zwei Jahren Fördermittel in Höhe von insgesamt drei Millionen Euro für ihre mutigen Forschungsansätze. Das hat die LOEWE-Verwaltungskommission auf Grundlage der Empfehlungen des LOEWE-Programmbeirats entschieden.

 Erfolgsmodell Exploration

„Die neue LOEWE-Förderlinie ,Exploration‘ hat sich mittlerweile zu einem echten Erfolgsmodell entwickelt, wie die erneut hohe Anzahl an eingereichten Anträgen in der fünften Ausschreibungsrunde eindrücklich belegt“, erklärt Wissenschaftsministerin Angela Dorn. „Die Idee dahinter ist, dass Wissenschaft mutig sein soll. Deshalb können wir nicht nur Ansätze fördern, die auf Nummer Sicher gehen, sondern wollen auch solche unterstützen, die mutig einen neuen Weg gehen – und die sich dann auch mal als falscher Weg erweisen dürfen. Nur so können bahnbrechende neue Erkenntnisse entstehen. In den kommenden zwei Jahren ermöglichen wir mit unserem bundesweit einzigartigen LOEWE-Programm jetzt elf weiteren Projekten und den darin engagierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, unkonventionelle Hypothesen und radikal neue Ansätze zu testen.“

„Wie breit und vor allem wie exzellent Hessens Wissenschaftslandschaft aufgestellt ist, belegt die hohe thematische Vielfalt und Qualität der Anträge“, ergänzt Prof. Dr. Stefan Treue, Vorsitzender des LOEWE-Programmbeirats. „Die LOEWE-Förderlinie „Exploration“ eignet sich ideal zur Adressierung hochaktueller wissenschaftlicher Fragestellungen mittels völlig neuartiger, unkonventioneller Forschungsansätze. Denn wer wirkliche Innovationen erzeugen will, der muss auch bereit sein, wissenschaftliche Risiken einzugehen.“

Das sind die geförderten LOEWE-Projekte im Einzelnen:

Target-Validierung für eine neue Strategie der Brustkrebstherapie mit Hilfe von Transport-inhibitoren der Phenylsulfonamid-Klasse

Antragstellung: Prof. Dr. Wibke Diederich, Universität Marburg, gemeinsam mit Prof. Dr. Joachim Geyer, Justus-Liebig-Universität Gießen

Lässt sich Brustkrebs bekämpfen, indem die Aufnahme weiblicher Hormone in Krebszellen behindert wird?

Der Körper inaktiviert weibliche Geschlechtshormone, indem er einen Sulfat-Rest anhängt. Diese „sulfatierten Östrogene“ zirkulieren weiter in hohen Konzentrationen im Blut. Brustkrebszellen können sie aufnehmen, was zur Vermehrung von Brustkrebszellen beiträgt. Die Aufnahme in Brustkrebszellen erfolgt über ein vor wenigen Jahren entdecktes Transportsystem in der Zellmembran. Im Projekt sollen Hemmstoffe entwickelt werden, die den Transport behindern und so künftig als Medikament für bestimmte Brustkrebsarten eingesetzt werden können.

Eine Wissenschaftlerin im Labor

Hunger Games: Hunger als treibende Kraft

Antragstellung: Prof. Dr. Jürgen Wendland, Hochschule Geisenheim University, gemeinsam mit Dr. Roland Klassen, Universität Kassel

Lassen sich Prädator-Hefen als Alternative zu chemischen Pestizide verbessern?

Chemische Pestizide in der Landwirtschaft vergiften unsere Welt. Eine Alternative ist der Einsatz von Mikroorganismen, zum Beispiel bestimmten Hefen. So genannte Prädator-Hefen können die Zellen schädlicher Organismen eindringen und sie töten. Dafür benötigen sie allerdings ein Hungersignal, das im Projekt molekulargenetisch erzeugt werden soll. Ziel ist es, hungernde Prädator-Hefen besser für die Biokontrolle von Schaderregern einsetzen zu können und damit eine Alternative für die Schädlingskontrolle zu entwickeln.

BorUp: Gezielte Borernährung von Kulturpflanzen durch Upcycling von Abfallstoffen

Antragstellung: Prof. Dr. Birgit Hütsch, Justus-Liebig-Universität Gießen

Können borhaltige Abfallstoffe recycelt und als Pflanzendünger eingesetzt werden?

Pflanzen brauchen den Nährstoff Bor für ihr Wachstum und ihre Entwicklung. Bor-Mangel kann bei wichtigen Kulturpflanzen wie Weizen, Raps und Mais die Ernte reduzieren. Wenn Landwirte mit Bor düngen, sollte es von Aussaat bis Reife gleichmäßig zur Verfügung stehen: Zu viel Bor ist giftig. Das Projekt will einen neuartigen Dünger aus borhaltigen Abfallstoffen als kontinuierlich fließende Bor-Quelle entwickeln. So ist der Dünger effizient, zugleich schont das Recycling aus Abfallstoffen die begrenzten natürlich vorkommenden Bor-Ressourcen.

Eine Person mit blauen Handschuhen hält eine Petrischale in die Kamera

Bundesweit einmalig

Unser Forschungsförderprogramm LOEWE

Mit unserem Exzellenzprogramm LOEWE fördern wir hervorragende Forschungsprojekte, hochinnovative Forschungsideen sowie exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Superkorrelationen als kausaler Indikator für nachhaltige Kapitalverwendung

Antragstellung: Prof. Dr. Christoph Gallus, Technische Hochschule Mittelhessen

Kann eine Methode aus der Quantenphysik helfen, nachhaltige Investments zu identifizieren?

Bell Tests spielen in der Quantenphysik eine wichtige Rolle; ihre experimentelle Umsetzung wurde mit dem Nobelpreis für Physik 2022 belohnt. Bell Tests erlauben die allgemeine Überprüfung möglicher kausaler Mechanismen und können somit grundsätzlich auch außerhalb der Physik nützlich sein. Das Projekt soll untersuchen, ob eine Verknüpfung von Daten für Nachhaltigkeit mit klassischen Finanzdaten von Unternehmen mittels eines Bell Test dazu führen kann, dass sich wirklich nachhaltige Investments von solchen abgrenzen lassen, die nur vorgeblich nachhaltig sind.

Nutzen Bäume Proteasen zur Aufnahme von Stickstoff aus dem Boden? Antragstellung: Prof. Dr. Judy Simon, Universität Kassel

Können Bäume Proteasen ausscheiden, um Stickstoff aus organischer Bodensubstanz aufzunehmen?

Die Erderhitzung hat in Europa im Sommer immer öfter Dürren zur Folge. Das verschärft für Wälder die Konkurrenz um begrenzte Ressourcen wie Stickstoff. Bäume nehmen anorganischen Stickstoff und Verbindungen in kleineren Molekülen (Aminosäuren, Peptiden) direkt aus dem Boden auf sowie indirekt über Mikroben. Einige andere Pflanzenarten können bestimmte Verbindungen, die Proteasen, ausscheiden, die Stickstoff aus organischen Komplexen abbauen; für Bäume wurde ein solcher Mechanismus bisher nicht nachgewiesen. Ziel dieses Vorhabens ist zu untersuchen, ob Bäume auch Proteasen zur Aufnahme von Stickstoff aus dem Boden nutzen. Die Ergebnisse sind relevant für die nachhaltige Waldbewirtschaftung.

Degradobodies – Zellpenetrierende Monobodies zum Abbau onkogener Transkriptionsfaktoren

Antragstellung:  Prof. Dr. Oliver Hantschel, Philipps-Universität Marburg

Wie kann man Proteine, die zur Krebsentstehung führen, effizient entfernen?

Krebs entsteht durch Veränderungen des genetischen Materials der Zelle, so genannte Onkogene. Seit 2000 wurden neue Medikamente zugelassen, die Onkogene blockieren. Die jüngste Entwicklung sind zweiarmige Moleküle, die mit einem Arm Onkogene blockieren und mit dem zweiten Arm deren Zerstörung einleiten. Dieser Ansatz nur für wenige Onkogene anwendbar und hat bisher noch zu keinem zugelassenen Medikament geführt. Dieses Projekt will so genannte Monobodies nutzen, kleine, Antikörpern ähnliche Proteine, die gegen jedes beliebige Onkogen schnell und kostengünstig entwickelt werden können. Die Forschenden wollen sie an ein zweites (chemisches) Molekül koppeln, das dann die Zerstörung des Onkogens einleitet. Daraus kann ein bahnbrechender neuer Ansatz zur Krebsbekämpfung gegen zahlreiche zurzeit noch unzugängliche Onkogene entstehen.

Ein Mann steht mit einer VR-Brille auf einer sich bewegenden Plattform.

OculoMotifs – eine KI-basierte neue Klassifikation von Augenbewegungen

Antragstellung: Prof. Dr. Frank Bremmer, Philipps-Universität Marburg

Kann KI Augenbewegungen entschlüsseln und so die Diagnose von Hirnerkrankungen verbessern?

Augenbewegungen dienen als Fenster in das Gehirn. Bislang werden Augenbewegungen vor allem im Labor oder im medizinischen Untersuchungsraum gemessen; ihre Klassifikation beruht noch immer auf Erkenntnissen aus dem vorletzten Jahrhundert. In diesem Projekt soll ein KI-basiertes Verfahren entwickelt werden, um Augenbewegungen, die während Alltagshandlungen gemessen werden können, neu zu klassifizieren. Ziel ist die Erstellung neuer Biomarker für gesundes Altern, insbesondere aber auch für neurologische und psychiatrische Erkrankungen

Prävention neu gedacht: Dyadisch-basierter, KI-gesteuerter Just-In-Time-Adaptive-Interventionsmechanismus zur Vorbeugung von Angststörungen und Depressionen via App

Antragstellung: Prof. Dr. Anna-Carlotta Zarski, Philipps-Universität Marburg

Kann eine selbstlernende App Angststörungen und Depressionen vorbeugen helfen?

Angststörungen und Depressionen belasten Kranke und die gesamte Gesellschaft. Neben Methoden der Heilung ist Vorbeugung wichtig. Dazu gehört, potenzielle Patientinnen und Patienten rechtzeitig dabei zu unterstützen, ihr Verhalten so zu ändern, dass sie gesund bleiben. Dieses Projekt untersucht einen Mechanismus, der psychologische Übungen zur Verhaltensänderung selbstlernend an individuelle Bedürfnisse anpasst. Die Smartphone-App erfragt und sammelt datenschutzkonform fünfmal täglich Echtzeitdaten über den Gesundheitszustand, Auslöser für Verschlechterungen und die Bereitschaft zur Veränderung. Davon abhängig schlägt die App passende Interventionen vor. So sollen Menschen lernen, wann, warum und wie sie psychologische Fertigkeiten effektiv einsetzen können, um Belastungen durch Angststörungen und Depressionen zu reduzieren und ihnen vorzubeugen.

Bottom-Up-Aufbau von funktionalen Imidometallbasierten Koordinationspolymeren

Antragstellung: Dr. Gunnar Werncke, Philipps-Universität Marburg

Wie können Metalle in Polymeren und Materialien besser interagieren?

Koordinationspolymere sind für die Entwicklung von fortschrittlichen Materialien von großem Interesse. Sie bestehen aus Metallionen, die miteinander über organische Moleküle (Liganden) verbunden sind. Bisher verwendete Liganden lassen die verwendeten Metalle nur schwach interagieren. Das Projekt will imidobasierte Liganden (RN2–) nutzen, die starke und elektronisch flexible Bindungen mit den Metallen eingehen können. Die resultierenden starken Wechselwirkungen der Metallionen miteinander sollen für den Aufbau von magnetisch und elektronisch aktiven Materialien genutzt werden, deren Eigenschaften sich mit Licht oder Elektronen beeinflussen lassen.

Arbeit im Labor

Leukozyten-Telomerlänge und koronare Plaqueprogression bei Frauen mit geschlechtsspezifischem Risiko – ein genomischer Biomarker akzelerierter Atherosklerose?

Antragstellung: Dr. Lena Marie Seegers, Goethe-Universität Frankfurt

Wie beeinflussen Schwangerschaft und Menopause die Herzkranzarterien?

Schwangerschaft und Menopause zählen zu den markantesten Zäsuren im Körper einer Frau. Beide Ereignisse können mit einer Reihe von Erkrankungen assoziiert sein. Diese frauenspezifischen Erkrankungen erhalten bislang wenig Aufmerksamkeit, sind jedoch mit einem erheblich erhöhten Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen verbunden. Dieses Projekt korreliert morphologische Plaqueanalysen in der Wand von Herzkranzgefäßen mit dem Genom hinsichtlich des geschlechtsspezifischen Risikos. So könnten gendersensitive Präventionsstrategien und präzisere Therapien für betroffene Frauen entwickelt werden.

LipiTox – Hin zu einer Fettsäuresynthese-basierten Krebstherapie

Antragstellung: Prof. Dr. Martin Grininger, Goethe-Universität Frankfurt

Kann man die Biosynthese einer Tumorzelle nutzen, damit sie sich selbst vergiftet?

Die Hemmung der Fettsäure-Biosynthese über chemische Moleküle gilt seit Jahren als geeignete Strategie einer Krebstherapie, es gibt jedoch bis heute kein Medikament in klinischer Anwendung. Dieses Projekt geht einen neuen Weg: Die Fettsäure-Biosynthese soll nicht gehemmt, sondern von kleinen Molekülen gekapert werden, die durch die Biosynthese zu giftigen Substanzen reifen und die Krebszelle von innen schädigen. Dafür sollen zweiköpfige Moleküle entwickelt werden sollen, die einen „Seiteneingang“ in die Fettsäure-Biosynthese nutzen: Sie bestehen aus dem eigentlichen Substrat und einem Shuttle, das es durch den Seiteneingang schmuggelt.

Das 2008 aufgelegte hessische Exzellenzprogramm LOEWE fördert in mittlerweile fünf Förderlinien hervorragende Forschungsprojekte, hochinnovative Forschungsideen und exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Seit 2008 wurden bereits 16 LOEWE-Zentren, 72 LOEWE-Schwerpunkte sowie 369 LOEWE-KMU-Verbundvorhaben zur Förderung ausgewählt. Mittlerweile haben sieben Forschende den Ruf auf eine LOEWE-Start-Professur angenommen, elf Forschende wurden auf LOEWE-Spitzen-Professuren berufen. Aktuell profitieren bereits 32 LOEWE-Explorationsprojekte von der LOEWE-Förderung.

Insgesamt hat das Land Hessen für das LOEWE-Programm seit dessen Start knapp 1,14 Milliarden Euro bereitgestellt. Hinzu kommen bis einschließlich 2022 von LOEWE-Zentren, -Schwerpunkten und -Professuren eingeworbene Drittmittel in Höhe von bis einschließlich 2022 mehr als 1,4 Milliarden Euro und speziell in der Förderlinie KMU-Verbundvorhaben Eigenmittel von Unternehmen von rund 91,5 Millionen Euro.

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